Der Endgegner ….
…. so möchte ich aktuell den Rennsteig Supermarathon mal für mich titulieren. Die knapp 74km und 1.800HM im Anstieg, verteilt auf 25km Anstieg am Anfang und dann wellige 50km mit teilweise sehr steilen Auf- und Abstiegen sind ein toxisches Gemisch für meine Muskulatur. Es ist dennoch immer wieder schön dort zu laufen, das Rennsteig-Feeling zu spüren und die Natur zu erleben. Aber der Reihe nach.
Letztes Jahr lief die Vorbereitung etwas holprig, mit einem fiesen Magen-Darm-Infekt und somit wenigen Kilometern vorher, geschweige denn ein paar Höhenmetern. Dieses Jahr war eigentlich nichts, was man bemängeln könnte. Ich konnte gut trainieren, war nicht krank und hatte keine körperlichen Einschränkungen. Viele Höhenmeter sind nicht zusammengekommen, aber mehr als sonst. Drei Wochen vor dem Lauf schlich sich zu Hause eine kleine Erkältung bei uns ein. Die Mädels husteten und schnieften gut rum, aber ich blieb verschont. …. vermutlich nicht ganz, aber ich lag jetzt nicht flach. Es gab keinen Grund nicht zu trainieren, aber nach dem letzten langen Lauf so 2 Wochen vor dem Rennsteig wollten die Beine nicht mehr so frisch werden, wie es die anderen Wochen vorher noch möglich war. Also entweder war es in Summe zu viel für mich oder mein Körper laborierte doch gegen einen kleinen Infekt. Ich tippe auf Zweiteres, da eineinhalb Wohen tapern irgendeine Besserung hätten zeigen müssen. Das ist nichts dramatisches, aber man merkt irgendwie, dass alles nicht so frisch ist. Natürlich kann das auch vielleicht eine innere Anspannung sein. Wir verplappern uns am Vorabend etwas und ich esse spät noch ein paar Nudeln. Jetzt im Nachhinein und nach einigem Nachdenken war der Vortag von der Verpflegung her total mies und gepaart mit 6 Stunden Autofahrt sicherlich auch nicht der Sache zuträglich. Egal, es ist nunmal wie es ist.
Der Wecker klingelt also um 02:20 Uhr. Vier Stunden schlaf müssen reichen für den Tag. Alles läuft wunderbar. Käffchen, Brötchen und was man morgens so erledigt. Die Temperaturen wurden kühl angesagt, der Tritt vor die Tür zeigt aber, es könnte ein sehr guter Tag zum Laufen werden. Es ist, wie immer eine besondere Stimmung, wenn Du so früh auf bist. Absolut ruhig, etwas Nebel, kühle und nasse Luft strömen in die Nase und der Sternenhimmel ist wunderschön in dieser Nacht.

Dieses mal keine Drängelei im Bus. Wir unterhalten uns und verpflegen uns ordentlich. Alles läuft reibungslos. In Eisenach angekommen saugen wir das besondere Flair am Start auf. Ich hatte es bei anderen Läufen schon bemerkt, je länger die Distanz, desto ruhiger sind die Leute vorher. Da hörst Du kein Heldengelaber im Sekundentakt oder die typischen Nervositätsphrasen. Jeder weiß, dass er mindesten einmal an diesem Tag körperlich und mental gefordert sein wird und das dann handhaben muss. Ich lasse meine Windjacke an, da es ein bisschen frisch ist. Vermutlich der erste Fehler des Tages. Es war zwar kühl, aber wäre auch gut ohne gegangen und ich neige ja eher dazu viel zu schwitzen.
Dann geht es auch schon los. Man hört in sich rein und ich war überrascht und erfreut. Alles fühlte sich gut an. Als es in den Anstieg aus Eisenach raus geht bleiben auch die Pulwerte, wo sie sein sollten und ich bin happy. Fast schon euphorisiert. Es ist eine wunderbare Stimmung an diesem Morgen und ich genieße es. Leider handel ich nicht, als ich merke, dass ich doch ordentlich transpiriere. Vielleicht habe ich die nässende Jacke auch der Umgebung zugeschrieben, die Luftfeuchtigkeit ist hoch.

Nach ca. 1 Stunde kommt die Sonne auch durch und wir laufen in einer fast mystischen Landschaft gen Inselberg. Die Sonnenstrahlen brechen durch Nebel und Bäume und in den Abschnitten mit viel abgestorbenem Wald, stehen die grauen Stämme, wie mahnende Wächter im Nebel neben Dir. Die großen kahlen Flächen ergeben teilweise tolle, neue Ausblicke und es sieht natürlich schon toll aus, wenn man quasi über den Wolken ist.


Es geht also immer so dahin und ich muss sagen, ich fühlte mich super. Huschdi war auch wieder mega stark, das war zeitig erkennbar und ich freute mich immer beim Blick auf die Uhr. Wir stiefelten da schön mit so 06:30min/km hoch. Kraft meiner Wassersuppe und Freude habe ich aber nicht sauber verpflegt. Es sind zwar viele VPs an der Strecke, aber ich brauche regelmäßige Zufuhr von Kohlenhydraten, sonst laufe ich leer. Mittlerweile ists dann auch schon warm und meine Jacke nass, als ich sie endlich ausziehe. Zum Inselberg hoch ist alles noch gut und ich genieße die tolle Stimmung und Bilder. Huschdi zieht da aber schon merklich davon, er ist einfach super drauf.

Dann kommt der steile Abstieg und hier kommen die ersten deutlichen Signale aus dem Oberschenkel. Es fühlt sich auf einmal alles fest an und will sich auch nicht lockern, egal wie langsam ich darunter mache. Mein Blick auf dem Foto spiegelt meine Gedankenwelt gut wieder: „Ui, was ist das denn jetzt? Das kann blöd werden.“

Ich lasse mich aber nicht beirren und mache weiter, wie bis dahin, da ich mich eigentlich stark fühlte. Arme, Rücken, Hüfte nichts moserte. Ich fing an Riegel nachzuschieben. … leider zu spät. Wir kommen wirklich gut voran, die Gespräche verkürzen sich aber, denn ich bin mit meinem inneren Ohr nur noch bei meinen Beinen. Bei km 35 ist es dann soweit. Ich vertrete mich irgendwie, ob Stein oder kleines Loch, ich muss kurz eine Ausweichbewegung machen und zack, fährt es mir in den rechten, hinteren Oberschenkel rein. Damned, was für eine Sch….e. Bis zur Ebertswiese komme ich noch halbwegs und Huschdi wartete auf mich, aber ich muss mich da von ihm verabschieden, denn ich wußte das wird jetzt keine schnelle Nummer mehr hier.
Was dann kommt ist schwer zu beschreiben. Ich versuche so gut es geht zu laufen und den Krampf auszugleichen, das allerdings macht das linke Bein halt malad und dann kommen auch dort die ersten Krämpfe. Das ist teilweise soweit, das selbst das Gehen nicht möglich ist. Bei ca. km 45 habe ich einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Ich spüre weder meine Füße, noch kann ich irgendwie locker laufen oder sonst was. Man kann fast schon von einer gewissen Verzweiflung sprechen, denn ich habe in diesem Moment keinerlei Ahnung, wie ich so die letzten knapp 30km überstehen soll. Ich war soweit an einen Ausstieg in Oberhof zu denken. Das Taubheitsgefühl in den Füßen läßt mich eine Blockade vermuten und ich versuche verschiedenste Dehnungsübungen und tatsächlich bringen ein paar Hüftmobilisierungen und Dehnung der Aduktoren leichte Besserung. Ich schiebe auch alle Riegel und Salztabletten nach, die ich so dabei habe. Irgendwie findet sich dann auch einen Weg die sich abwechselnden Krämpfe links und recht mit einem gewissen Vorankommen zu koordinieren. Das baut mental zumindest soweit auf, dass in Oberhof ein Ausstieg nicht mehr in Frage kommt. 20km müssen irgendwie gehen. Es ist absolut kein Genuss an dem Tag da hochzuwackeln, aber das macht den Rennsteig halt auch aus. Man muss das annehmen und einfach weiter Schritt für Schritt setzen. Es geht mit einigen Downs und Ups weiter. Am Beerberg, dem höchsten Punkt, haben sie sogar noch etwas Schnee parat.

Es ist erstaunlich, was es ausmachen kann, wenn Du in einer vertrauten Umgebung bist. Ich bin körperlich und mental ordentlich angezählt, aber Du weißt dann, dass Du das schon zig mal gelaufen bist und es schaffen wirst. Somit komme ich auch gut Richtung Schmücke. Was nun folgte sollte eine Premiere für mich werden. Ich bin eigentlich ganz guter Dinge und bei der Sache, da bleibe ich irgendwo hängen und es haut mich ordentlich auf die Nase. Ich konnte da nix mehr abfangen, rolle zweimal über den Weg und liege verwirrt da. Wow, was war das denn? Ich stehe erstmal auf und höre in mich rein. Kein stechender Schmerz oder ähnliches. Alle Gliedmaßen können bewegt werden, nur ein paar Schürfwunden und eine Beule an Knie und Unterarm. Puh, Glück gehabt denke ich und laufe weiter. Und tatsächlich ist das ein kleiner Glücksfall. Das Adrenalin und der kurzzeitige Ausbruch aus der Bewegung lassen die Krämpfe etwas verstummen. Ich kann nun wieder annähernd so laufen, wie ich es mir mit dem Trainingszustand eigentlich gewünscht hätte. Natürlich muss ich an den Anstiegen extrem vorsichtig machen, aber ich bleibe nicht mehr alle 10m stehen. Auf den Geraden komme ich sogar mit 05:45min/km wirklich gut voran. Ab Schmücke gabs auch immer ordentlich Cola für mich und die machte ihren Job auch sehr gut. Es geht also wieder etwas voran und ich wage einen Blcik auf die Uhr und rechne. Noch x km in dem Tempo und die 9 Stunden könnten noch drin sein. Gefühlt habe ich das nach jedem Kilometer neu durchgerechnet und als sich abzeigte, dass ich doch noch die Sub9 schaffen könnte, kam auch wieder eine gewisse Freude und Euphorie auf. Es immer noch eine Schinderei, aber das darfs es dann halt auch sein. Der Zieleinlauf in Schmiedefeld ist einfach ein Genuss.

Ich bin erleichtert als ich die Medaille in Empfang nehme und von Rene begrüßt werde. Huschdi wartet schon umgezogen auf mich. Er hat sogar fast die 8 Stunden geknackt. Schade, dass ich nicht schneller an der Ebertwiese war, dann hätte er mit dem wWarten auf mich nicht soviel Zeit verloren. Wir sind dennoch beide happy und lassen uns ein Siegerbierchen beim Gespräch mit alten Freunden und Bekannten schmecken.

Ich hoffe, dass es mir weiterhin möglich sein wird hier an den Start zu gehen und solche Tage erleben und bewältigen kann. Jetzt ist das TÜV-Siegel mal für ein Jahr wieder abgeholt und die Reise geht weiter.
