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Der Jonas Effekt

wie angesagt liegt der Fokus die letzten Jahre nicht auf dem Sport. Spannend, man kann dann doch nicht so richtig davon lassen. Es zeigte sich, dass sich irgendwie immer mal wieder ein kleines Ziel eingeschlichen hat oder man dann doch versuchte neu liebgewonnenes zu absolvieren. Die „dicken Dinger“ wollte ich mir und Family mental irgendwie nicht auflasten. Wenn Du den finalen Klick bei einer Ironmananmeldung machst, dann schwebt der Tag über Dir, egal was so ansteht. Das hätte mich irgendwie gestresst. Da gefällt mir das Format des Deutschlandklassiker wesentlich besser. Vier Ausdauersportdisziplinen auf 12 Monate verteilt. Egal wann und wo, es sollen halt mal 3,3km geschwommen, 50km Langlauf, 42km Lauf und 300km Rad absolviert werden. Fand ich irgendwie immer cool. Bei genauerem Betrachten fragt sich zwar sicher der ein oder andere, wo denn da der wirkliche Unterschied zu einem Ironman ist, aber für mich war die freie Wahl der Termine usw einfach vom Kopf her entspannter. So kam es auch, dass ich nach 2020 und 2022 mir den Deutschlandklassiker für 2023 vorgenommen habe. Der König-Ludwig-Lauf war gemeldet und die Anmeldung zum 50. Rennsteiglauf war natürlich Pflicht. So dachte ich mir mal ganz unbedarft: Hajou, nur noch 300km radeln und bissel im See paddeln, dann ist das Ding im Sack. … irgendwie süß, wieviel Naivität auch mit Mitte 40 noch in einem steckt.

Es kam, wie es kommen musste bzw, was sich eh schon die letzten Monate abzeichnete. Job, Family und eine gewisse Antriebslosigkeit liessen die Trainingsumfänge schrumpfen. Klar, irgendwas macht man immer, nur mit einer Vorbereitung hatte das nix zu tun. Die Anzeigen auf der Waage waren dann aber auch rekordverdächtig. Als dann der Schnee kam habe ich auf den letzten Wochen mit Gewalt Umfänge gedrückt, um beim KLL durchzukommen. Mit insgesamt 200km Langlauftraining über 2 Monat aus der Kalten heraus ging es auf die 43km Strecke. Wenn man bisschene Technik hat, dann geht das schonmal. Der Griff in die Materialkiste, war so semi gut, aber ein Guter steckts weg. 😉 Ich war dann doch happy darüber, wie gut es lief. Es passieren natürlich keine Wunder, aber es zeigte sich, dass der alte Kadaver doch noch Trainingsreize annimmt und vor allem hört, wenn die Birne was sagt.

Rennsteiglauf ähnliches Vorspiel. Im Februar denkst Du ja es ist noch ewig Zeit bis zum Mai. Zwei lazy Augenblicke später ist es Ende März und das einzige was gestiegen ist sind die Zahlen auf der Waage. Übel, ich hatte noch nie so viel zugenommen und fühlte mich auch nicht wirklich wohl. Die letzten Wochen gleiche Aktion, wie beim KLL, Umfänge bolzen ohne Rücksicht auf Verluste. Ich bin da auch ganz gut durchgekommen, es war aber klar, der Rennsteiglauf wird wieder wehtun. Tat er auch, aber ich hatte mit Huschdi wieder einen guten Leidensgenossen an der Seite und zusammen bissen wir uns durch. Es ist dann immer wieder schön einen Marathon zu finishen und wenn es in Deiner Heimat und dann noch der Rennsteiglauf ist umso mehr.

Die folgenden Wochen/Monate waren eher geprägt von Arbeit usw. Ich nutzte die Ausflüge zum Campingplatz für ein paar Radausfahrten. Lief einfach toll und hat Spaß gemacht. ABER, sobald es mal über 2 oder 2,5h ging, wurde es schon zäh. Wenn ich nach 60km mal in mich horchte, konnte ich mir beim besten Willen keine 300km vorstellen. Die Zweifel wuchsen. Das ging eigentlich schon soweit, dass ich es lassen wollte. Deutschlandklassiker halb ist doch auch schön, das Leben geht auch ohne weiter usw. Wer kennt sie nicht, die Argumente des „Fauli Schlumpf“ auf der linken Schulter? Auf der rechten Schulter stand aber immer noch Hefti Schlumpf. Es sagte nix mehr, schaute nur grimmig. Als ich dann mein Gravelbike vom Jobrad doch schon früher bekam, wuchs der Gedanke doch wieder ran, es wuppen zu können. Mit dem Gravelbike war mir auf einmal die Strecke „egal“ denn ich war nicht so abhängig von der Strasse. Ich beschloss mal die 150km Runde zu testen. Denn, wenn 150km klappen, dann bekommst mit der entsprechenden Einstellung auch 300km hin. Das klingt komisch, ist aber so. Es gibt bei den langen Dingern einen Moment ….. wenn Du über den drüber bist, dann funktioniert der Motorraum, bis die Birne sagt das wars. Tja, dumm gelaufen, die 150km liefen ganz gut. Es gab eigentlich keine Ausrede mehr. Ein paar Ereignisse in unserem Umfeld warfen alles kurzerhand um. Keine schöne Sache, doch irgendwie muss man weitermachen. Es darf Dich mal was aus der Bahn werfen, aber man muss wieder zurückkommen.

Ich habe zu dem Zeitpunkt das Buch von dem Jonas Deichman gelesen „Das Limit bin nur ich“. Ich habe nur zwei Tage gebraucht, um das Buch quasi zu verschlingen. Es war unglaublich inspirierend, was geht, wenn nur die mentale Einstellung stimmt. Kein Witz, ich entschied adhoc einfach nach Thüringen zu fahren. Musste eh sein. Wetter sollte Samstag passen, also ist das der Tag. Jonas‘ mexikanischer Freund beschrieb das als den „Jonas Effekt“, den er in Mexiko mit dem Laufen auslöste und bei mir war es genauso. Ich war nach dem Buch frei von, wieviel Verkehr wird auf den Straßen sein, kannst Du genügend Verpflegung einpacken, was wenn Du eine Panne hast, was wenn es regnet …. blablabla …. alle diese negativen Gedanken waren weg. Es gab nur, wer wenn nicht Du. Packe schlau Deine Sachen, starte um Mitternacht und fahre nach Frauenwald. Besinne Dich auf Deine Stärken und Erfahrung und bleib cool. Gesagt, getan.

300km nach Frauenwald

Ok, es sind ja nicht meine ersten 300km auf dem Rad. No.1 war ein Glücksfall für mich. Mit Radmaschine Hannes und Dani könnte ich vom Allgäu nach Marbach fahren. Es war fast wie ein Radreiseurlaub. Hannes kannte die Strecke und hatte alles perfekt geplant. Anreise und Übernachtung vorab bei den Beiden im Allgäu und von dort los. Hannes fuhr alles vorneweg. Ich musst mich nur reinhängen. Es war richtig cool. Vor allem war es perfekt, weil ich damit den Schrecken vor der Distanz ablegen konnte. No.2 war dann die MSR300. Ich konnte mich damals gut vorbereiten und stand gut im Saft, als die Tour losging. Ich bin damals kaum in Gruppen gefahren und habe die 300km quasi aus eigener Kraft gewuppt. Das war auch toll. Jetzt war alles etwas anders. Die Trainingsvorbereitung hatte nix mit 300km zu tun, kein Event mit Verpflegung und Orga, Strecke selber über Komoot aus der Hüfte geschossen, aber …. ich war mir noch nie so sicher es zu finishen.

00:30 Uhr Start: Es ist ungewöhnlich warm. Ich muss vor Start ein paar Klamotten ablegen. Neben der Garage stehen drei Damen und unterhalten sich. Die Blicke schweifen immer wieder ungläubig zu mir rüber, was der Typ denn da wohl vor hat. Als ich starte, fragt mich eine: „Entschuldigung, darf ich fragen, wie weit es denn gehen soll?“ Ich antworte: „Ja klar, wenn nix dazwischen kommt werden es 300km werden.“ Antwort: „Neeeeeeeee …… oder? …. Viel Erfolg“. Ich bedanke mich und fahre los. Man kann es nicht beschreiben, was in einem vorgeht, wenn man aufbricht. Es ist Freude, Spannung und aufgeregt sein in einem. Wie als Kind zu Weihnachten. Es geht durch die Nacht am Neckar entlang. Wunderbar, diese Stille. Du hörst nur Dich und Dein Rad. Es hat einen tollen Sternenhimmel an dem Tag. Es rollt so dahin und ich brauche bis ich zwischen Euphorie und Einsortieren in den Tag meinen Modus finde. Es läuft einfach und ich lege mir meinen Schlachtplan für die Fahrt anhand des Körpergefühls fest. Wann essen, wann trinken usw. Ich bin mir sicher, heute radelst Du nach Thüringen. Die Fahrt durch die Nacht hat etwas Besonderes. Du bist anders fokussiert und die Zeit fliegt nur so an Dir vorbei. Nach 80km mache ich eine erste Pause und esse meine zwei Brötchen. Ich bin happy. Es ist einfach ein tolles Abenteuer.

06:30 Uhr Sonnenaufgang. Unglaublich, was das in einem auslöst. Licht … und was für eins. Die Strecke hat mittlerweile auch den ein oder anderen Anstieg für mich parat, aber ich verschwende keinen Gedanken daran. Im Gegenteil, ich freue mich, bin fast in dem Modus: Je oller, je doller. Auch aufkommender Regen lässt mich kalt.
08:00 Uhr Halbzeit und dickes Frühstück in Würzburg an der Araltanke. Das Mädchen an der Kasse ist sichtlich irritiert über den Typen, der sich da mit Baguettes und Schokotaschen den Bauch vollschlägt. Flaschen für 2 Litter Wasser und 1 Liter Cola kommen postwendend wieder zur Abgabe. Dann noch 2 Corny Maxi und Snickers auf den Weg. Einmal Klamottenwechsel und weiter gehts. Würzburg hat ein paar giftige Anstiege parat, aber ich habe die Hälfte und war komplett beieinander. Es stand fest, ohne Panne etc. werde ich durchkommen können. Das Wetter wurde auch wieder sommerlich. Fast schon heiß. Ich schaute mich in den Ortschaften schon nach Läden um, aber ein Problem meiner Routenplanung und eintaktischer Fehler zeigten sich schon. Wenig befahrene Strassen bedeuten auch in Deutschland, schlechte Verpflegungsmöglichkeiten. Kurz vor Schweinfurt ließ ich bei ca. km 200 eine Tanke links liegen, da ich keinen Bock hatte das Rad den Damm herunterzutragen. Ich dachte mir immer noch. Nächste Tanke wird bald kommen. Ein Fehler. Ich hatte zwar noch was in den Flaschen, aber es war klar mit den steigenden Temperaturen musst Du bald nachlegen.
Der Blick auf den Radweg offenbarte dann auch schon anstehende Ereignisse. Ich habe noch nie soviel Scherben über so eine lange Strecke auf einem Haufen gesehen. 11:30 Uhr dann Boxenstop. Dank der Gaskartuschen ging das aber alles gut über die Bühne. Ich habe vier Schreben aus dem Hinterrad und nochmal soviel aud dem Vorderrad gepult. Eigentlich schon ein Wunder, wie lange das gut ging. Meine Sorgen gingen aber immer mehr in Richtung Verpflegung. Es kam nichts mehr, keine Tanke, kein Dorfladen, kein Feuerwehr- oder Fußballfest …. absolut nix. Der Energieverlust war spürbar. Kilometer 240km muss ich mal einen Break machen. Ich verschlinge meine letzten ISO-Gels, ein Corny und dem letzten Wasser. Der Blick zum Horizont läßt die Pause kurz werden. Es donnert in der Ferne und der Himmel ist dunkelblau. Ein hastiger Blick aufs Handy über die anstehende Route und eventuellen Möglichkeiten für eine Pause mit der Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme. Ich komme nun über die Landesgrenze in Thüringen an und werde mit ein paar Regentropfen begrüßt. Es sind nur wenige, aber der aufkommende Wind zeigt, worin das enden würde. Noch 3km bis Römhild …. da muss es doch was geben. Ich trete tatsächlich nochmal ordentlich rein. Aus überholenden Autos schauen die Insassen etwas mitleidig auf mich, denn das Unwetter sitz mir im Nacken. Ein Hügel noch, dann kommt Römhild …. ich schaue und sehe …. ein Rewe. Herrlich und sogar mit Bäcker. Als ich das Rad abschließe zeigt Mutter Natur, was sie so drauf hat. Ich habe Glück gehabt.

2 Liter Wasser, 1,5 Liter Cola, 1 Cappu, ein Panini und eine Mohnschnecke stehen vor mir. Das Publikum im Bäcker ist etwas verdutzt. Ich bin schon ordentlich im Unterzucker und kann nur langsam was zu mir nehmen, aber ich habe Zeit. Draußen tobt ein ordentliches Gewitter. Nach ca. 1 Stunde ist es so, dass ich es wage weiterzufahren. Die Speicher füllen sich wieder und der warme Regen fühlt sich schön an. Aber die Berge haben es jetzt in sich. Ich kalkuliere und rechne jeden Kilometer. Ab jetzt wird es Schwerstarbeit für die Birne und ich muss aufpassen die Muskulatur nicht zu überreizen. Was mich besorgt bei Regen ist immer das erhöhte Pannenrisiko. Ich habe nur noch einen Schlauch in Reserve und knapp 40km vor mir. Das kann ein Problem werden und kurz vor Schleusingen ist es soweit. Platten vorne. 🙁 Ich rede mir die ganze Zeit gut zu, versuche nicht hektisch zu werden und so sauber wie möglich das Ding zu wechseln. Aber ich will nun so schnell es geht nach Frauenwald. Geplant war eigentlich durch Schleusingen, über Hinternah, Schmiedefeld nach Frauenwald hochzufahren. Etwas länger, dafür mit moderatem Anstieg. Dafür fehlt mir nun das Vertrauen ins Material. Ich rechne hoch: Ratscher, Waldau, Steinbach und Frauenwald ergeben auch ü300km. Das muss jetzt gehen und ich fahre los. Der vordere Reifen macht mich nicht glücklich, denn er verliert minimal Luft. Ich trete rein, was noch geht, um so weit es geht zu kommen, dann will ich wieder pumpen usw bis zum Ziel. Waldau, Steinbach nach Frauenwald. Ich sage mal, das Beste kommt zum Schluß. Es sind ca. 5km mit 320hm bis zum „Fünfarmigen“. Ich schnaufe ordentlich und bin am Limit. Was mich antreibt ist der Schleicher im Vorderrad. Ich habe nur noch einen Gedanken, wenn Du durchhältst und weiterfährst reicht es bis ins Ziel. Es reichte dann auch. Am höchsten Punkt angekommen bin ich komplett leergefahren. Es wird mir sogar richtig kalt, trotz der eigentlich angenehmen Temperatur. Aber es stehen 301km auf dem Tacho. Geil. Die letzten 4km gehen so dahin. Ich bin happy. Im Bungalow erwarten mich Svenja und Lotta. Viel ist mit mir aber leider nicht mehr anzufangen. Es ist 19:45Uhr und ich bin platt. Ein langer Tag, ein schöner Tag hat ein schönes Ende. Ich schlafe mit meinen Girls ein. Danke Jonas Deichman für diese Erfahrung.

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