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Immer weiter ….

Ja so kann man es beschreiben und das auch in zweierlei Sicht. Es geht immer weiter und man sollte tunlichst nicht stehen bleiben. Wer rastet der rostet, sagt man so schön und es ist (wie eigentlich immer) was dran. Aber was tun, wenn sich die neuen Motivationen nicht ergeben?

Es hat sich bei mir nunmal so ergeben, dass ich irgendwie immer den Drang hatte mich Dingen zu stellen, die mir unmöglich erschienen oder mich beängstigten. Die Reise auf die man sich damit begibt ist spannend und lehrreich zugleich. Wenn man sich einer neuen Herausforderung stellt oder ich nenne es lieber, sich eine neue Motivation ergibt, fängt man gefühlt bei Null an. Das ist immer das gleiche, am Anfang stehst Du da und ringsum sind alle schon voll in der Materie drin. Du bist der Newbee. Besonders bewußt wurde mir das damals beim Schwimmen, als der Triathlon meine Motivation wurde. Als ich Ende 2010 damit begann regelmäßig mal ins Becken zu hüpfen und mir mit Hilfe von Youtube Schwimmvideos zum Erlernen des Kraulsstils reinzog, kam ich mir vor wie eine Ameise vor dem Mt. Everest. 4x 25m Brust + und dann 1x 25m Kraulsversuche endeten hechelnd am Beckenrand. Wenn man aber immer schön dran bleibt wird es immer besser. Eine einfache und kleine Lektion, die man immer hört, aber deren Bedeutung oft untergeht. „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Es wird , gerade heute, viel zu viel miteinander verglichen. Wer ist wie schnell, hat welches Auto, Haus, Gehalt, hat was vollbracht etc. Die für mich wichtigste Erkenntnis bis heute ist, es ist nicht wichtig, was jemand heute und jetzt kann oder hat, die Frage ist wo kommt er her und was hat er sich bis hierhin erarbeitet? Das gilt für mich für alle Lebenslagen, aber bleiben wir mal beim Marathonlauf. Man muss sich mal die Zielfotos der Finisher anschauen. Das Verhältnis der Menschen die eine tiefe und emotionale Freude wiedergeben scheint mir persönlich mit steigender Laufzeit zuzunehmen. Ich kenne nicht wenige, die mit Kommentaren daher kamen, wie: Na, das ist doch kein Sport mehr oder die sollen Wandern etc. Bullshit, vermutlich hat ein 6h Finisher sich mehr erarbeitet, als der schon immer Sportler, der jetzt mal die Sub3 einholen will (muss). Wenn man da die ein oder andere Geschichte im hinteren Drittel der Läufer hört, dann sind das sehr oft Menschen, die auch bei Null angefangen und was komplett neues gewagt haben. Bis hierher habe ich gelernt, dass jede dieser Leistungen zu würdigen ist. Das heißt nicht, dass ich den Leistungs- oder Vergleichsgedanken ansich schlecht finde, man darf es halt nicht nur darauf reduzieren. Aber das ist ja ein anderes Thema. Worauf ich eigentlich hinaus möchte ist die Eingangs genannte Frage, was wenn die neuen Motivationen sich nicht ergeben? Meine Reise hatte mich sportlich zum Langdistanzfinish, dem Deutschlandklassiker und dem Rennsteig-Supermarathon gebracht. Ich konnte mir einfach nicht mehr vorstellen oder hatte auch gar kein Verlangen. Eigenartiger Weise, habe ich auch gar kein Verlangen danach das zu tun, was mir vermutlich gut liegen würde. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich im Bereich der schnellkraftspezifischen Sportarten gar nicht so übel wäre. So ein Sprint liegt mir eigentlich ganz gut, aber reizt mich (noch) nicht. Ich hatte also ein ernsthaftes Motivationsproblem, was die sportlichen Themen angeht. Durch einen glücklichen Zufall kam ich zu den Büchern „You can’t hurt me“ und „Das Limit bin nur ich“. Für mich kam damit ein ganz neuer Blickwinkel auf. Ich war fasziniert davon, wie weit die eigene Einstellung und Willenskraft die Möglichkeiten erweitern. Ich hatte das als den „Jonas Effekt“ schon beschrieben. Die 300km Radtour nach Frauenwald, war dann ein direkter Beweis. Es geht, Du musst es nur wagen. Du kannst, wenn Du Dich auf ein bestimmtes Ziel fokussierst dahin kommen, wenn Du clever und konzentriert bleibst. Mit dieser Erkenntnis reifte der Gedanke an eine neue Motivation. 100km laufen. Ich habe lange damit gerungen, denn im Grunde Stand mir absolut nicht der Sinn danach. Es hatte gedauert bis mir klar wurde, dass ich das tief im Inneren für so unmöglich (für mich) hielt, dass ich es gar nicht aufkommen lies. Ich bin kein Ausdauertyp vom Körperbau her, Größe-Gewichtsverhältnis lassen jeden Lauf ab 2h echt anstrengend werden. Da bist noch weit weg von 100. Allerdings hatte ich mich ja 2017 schonmal auf den langen Kanten beim Rennsteig gewagt und es ging. Aus diesem kleinen Gedankenfunken wurde mit der Zeit immer mehr ein echtes Ziel. Eine Hintertür ließ ich mir aber offen. Erstmal den Rennsteig nochmal von Eisenach machen und dann mal schauen. Eine erneute Erkenntnis, Hintertüren sind, egal wie klein eine unheimlich charmante Möglichkeit etwas zu verlassen. Aber nun sollte die Reise erstmal beginnen.

Der Rennsteiglauf – 73,5 km

Die Vorbereitungen starten Ende November 2023 mit 5-7km Läufen. Das war wirklich wie bei Null beginnen, aber mit dem richtigen Mindset gingen dann auch die längeren Läufe. Stück für Stück konnte ich die Umfänge steigern. In diesem Jahr kamen dann das erste mal ein paar Rückschläge gesundheitlicher Natur dazwischen. Das war dann doch ein Darminfekt, der mir böse mitgespielt und einige Wochen geklaut hat. Aber muss ja irgendwie gehen. Ab Start des Rennsteiglaufs wurde mir schnell klar, dass ich nicht den besten Tag des Jahres erwischt hatte. Ich lief mit Huschdi zusammen, der seinen ersten „langen Kanten“ wagte und mich noch einiges lehrte an diesem Tag. Wir kämpften uns ganz gut durch, wenngleich ich zu knappern hatte. Ab ca. der Hälfte erwähnte Huschdi das erste mal Probleme im Fuß. Das spitzte sich mit jedem Kilometer richtig zu und man konnte bei jedem Schritt sehen, wie ihn der Schmerz durchbohrte. Wir liefen zusammen weiter, immer mal ein Stück rennen, gehen, rennen usw. Meine Beine und vor allem Knie haben irgendwann auch deftige Signale ans Oberstübchen gesendet und um ein Ende gebeten. Wir haben es aber durchgezogen und wenn jemand einen Orden für Leidensfähigkeit verdient hat, dann Huschdi. Er hatte mir an dem Tag gezeigt, zu was man in der Lage ist. Ich steckte ja nicht in ihm drin, aber bin mir nicht sicher, ob ich das so durchgezogen hätte. Nunja, wir waren 10:15h auf den Beinen, zur 100 fehlten ja nur 26,5km. :-/ Das Problem mit dem Rennsteiglauf waren extreme Schmerzen in den Bändern rund ums Knie.

Während des Laufes kam der Gedanke nicht so arg auf, weil da ja irgendwie eh alles am Körper mosert, aber diese Knieschmerzen gingen nicht weg. Auch nicht nach einer längeren Laufpause. Ich konnte da auch nicht dehnen oder so, dass war direkt als würde was reißen. Ein lockeres Joggen ging so 5-7km, danach wurde es häßlich mit langen Nachschmerzen. Ich nenne es mal eine ordentliche Überbelastung, aber wieso ging es nicht weg? Tja, never touch a running system. Die Lösung ergab sich im Urlaub auf dem Campingplatz. Ich hatte die Hoffnung irgendwie aufgegeben und lief Morgens immer eine kleine Runde um den See, um dann den Rest des Tages Schmerzen im Knie zu haben. An einem Tag war es so heiß, dass ich zum Abkühlen unterwegs direkt mit den Schuhe ins Wasser musste, sonst wäre ich geplatzt. Die Folge war, dass ich am nächsten Morgen keine trockenen Schuhe hatte und auf die ausgemusterten Laufschuhe zurückgriff. Und siehe da … ich schwebte. Kein Druck im Knie, kein Schmerz, auch danach nicht. Ääääähm, was war denn das bitte? Die Schuhe waren das gleiche Model des gleichen Herstellers mit gleicher Größe. Es gab nur einen Unterschied, aber sollte das ernsthaft die Ursache gewesen sein? So ca. 4-5 Wochen vor dem Rennsteiglauf hatte ich die Schnürung am Schuh verändert. Die Fersenhaltschnürung (https://lauftipps.ch/ausruestung/laufschuhe/fersenhaltschnuerung/) wurde irgendwo in Socialmedia als das Ding überhaupt angepriesen und ich musste es natürlich auch machen. Eine minimale Veränderung, die gepaart mit den hohen Umfängen in den Wochen vor dem Rennsteiglauf plus dem Rennsteiglauf zu diesem Ergebnis im Knie führten. Das klingt absolut dubios, aber ich änderte die Schnürung und konnte ab diesem Moment schmerzfrei laufen. Glaubt einem keiner, ist aber so. Problem: Es war nun August und ein in Betracht gezogener 100km Lauf nur noch 8 Wochen hin.

Das blöde mit den Hintertürchen

Das ist das gemeine mit dem Hintertürchen. Nur allein die Tatsache, dass ich mir sagte, Rennsteiglauf und dann mal sehen, stellten mental nun eine echte Hürde in den Weg. Die Überlastung hat Dich zu lange rausgenommen, das ist zu wenig Vorbereitung, so geht keiner an den Start, das geht schief ….. die Liste der Argumente gegen den Versuch wird unheimlich lang und attraktiv. Ich zog aber die Umfänge an, um zu schauen, ob oder was noch übrig ist und je länger ich das tat, je mehr kamen meine eigenen Worte in mir hoch: Wer, wenn nicht Du. Es ist nur ein Kopfding. Du hast viel Zeit und musst es nur wagen. Mit jedem längeren Lauf reifte es heran. Als ich dann einen 30km machte wurde klar …. Du musst. Die 30km waren nicht schön, aber ich wußte ganz insgeheim, das ist irgendwie machbar. Also meldete ich mich für den Taubertal100 an. Mit der Bestätigung der Anmeldung ging die Achterbahnfahrt der Gefühle los, wie ich es von den anderen Abenteuern kannte. „Ach Du Scheiße, was hast Du da jetzt getan“, „Wieso tust Du das“ … usw. Aber auch das ist eine Erkenntnis aus der ganzen Reise. Nur wenn Du vorher richtig die Hose voll hast, ist etwas das Wagnis, dass Du gesucht hast.

Der Taubertal100

Die Zeit verging dann wie im Fluge. Ich hätte mir noch 20 Wochen Training gewünscht, aber nun war der Tag gekommen. Wir fahren nach Rothenburg o.T. Der Lauf ist von Hubert Beck, einem renommierten Ultrasportler, perfekt organisiert. Er schreibt selbst, dass der T100 so sein soll, wie er ihn als Läufer sich wünschen würde und so ist es auch. Alles läuft wie am Schnürchen. Ich schlafe in der Nacht nicht wahnsinnig gut, aber auch nicht schlecht. Etwas Sorgen bereitete mir der Umstand, dass ich viel geschwitzt habe in der Nacht. Es hatte zum Glück keine Auswirkungen am Lauftag, ich glaube das war wirklich Angstschweiß. 🙂 Der Lauf beginnt mit einem Fakellauf vor die Mauern von Rothenburg, wo man feierlich von König und Königin als Botenläufer beauftragt wird. Wirklich toll gemacht und motivierend.

Auf dem Weg zum Start, durch die Dunkelheit wird einem irgendwie klar, dass es jetzt losgeht. Das ist ein eigenartiges Gefühl. Du weißt ab jetzt kommt es nur auf Dich und Deinen Kopf an. Wie gut wirst Du den Tag und die inneren Herausforderungen bewältigen können. Das macht nervös, auf der anderen Seite und das war bis dato irgendwie immer bei mir so, kam eine tiefe Gewissheit auf: Du rennst heute 100km und egal wie lange und wie es ausgeht, Du wirst bis ins Ziel kommen. Das ist ein unglaublicher Moment. Dann geht es los. Je länger die Distanz, desto ruhiger ist es am Start. Beim T100 starten 50km, 70km, 100km, 100mi und in diesem Jahr sogar 200km Läufer*innen. Ich glaube je länger die bevorstehende Distanz, desto mehr ist man insich gekehrt. Ich persönlich bin da ganz in mir drin und höre die ersten 10km nur in mich hinein und was der Körper so sagt. Glücklicherweise läuft es im Maschinenraum rund und das Fahrgestell ist auch bereit. Mit dieser Erkenntnis fängt dann der Arbeitstag an. Ja Arbeitstag, denn ab dann gilt es konzentriert und aufmerksam zu bleiben. Versorge Dich regelmäßig, bleibe motiviert, blende Wehwechen aus und vor allem … werde nicht hektisch. Es geht also Schritt für Schritt voran und ich fühle mich bei 06:30min/km irgendwie ganz gut. Die nüchterne Betrachtung der Lage nach 20km zeigt aber schon einen Ausblick auf den Tag. Das ist da noch gut wegzuignorieren, da die Schmerzen in den Beinen noch sehr gering sind. Aber km30 wurden diese schon deutlicher und ab da beginnt die Arbeit des Hirns. Du musst ab dann in jedem Moment in der Lage sein, dir das erreichte so zurechtzulegen, dass das noch vor dir liegende machbar erscheint. Bei 30km ist es das erreichte Drittel. Also das jetzt nur noch 2x und dann ab 90 tut ja eh nix mehr weh. So geht das dann immer zu weiter im Kopf und immer weiter vom Weg her. Im Vorhinein hatte ich mir gesagt, wenn Du bei km 70 bist, dann geht der Rest sowieso. Das kommt mir dann bei km 50 zu Gute. Man läuft bei km 50 durch das Ziel der 50km Läufer und könnte hier auch aussteigen und käme in die 50k Wertung. Das kam jetzt nicht wirklich in Frage, aber rein muskulär hätte es an dem Tag auch hier schon gereicht. Es steht dann auf dem Radweg ein kleines Schild: Tauberbischofsheim 21km. Diese 21km erschienen dann irgendwie direkt „klein“ und machbar. Da denkst in dem Moment nicht an „puuuhhh, das ganze jetzt nochmal“, sondern „geil, nur noch 21 und ab dann gehts eh“. Also so ist das zumindest bei mir. Das ist allerdings wirkliche Arbeit. Du darfst nichts anderes aufkommen lassen. Die Formkurve ab km50 war allerdings stark abfallend. Es kommt sogar ein bisschen Sonne auf, das sorgt bei mir für etwas zuviel Schweiß und ich muss ordentlich nachregulieren. Die Signale aus den Beinen haben nun auch ein ordentliches Maß erreicht. Es war jeder Schritt mit Aufwand verbunden. Aber und das war klar, es waren jetzt keine Schmerzen, die signalisieren da ist was kaputt, sondern nur das Signal „eigentlich reichts“. Wann es wirklich reicht sagt dann der Kopf. Bis km 70 sind einige Up and Downs zu bewältigen. „Shut up Legs“

Es gibt dort eine größere Verpflegunsstelle und ein Dropback zum Klamottentausch usw. Ich nutze das und ziehe mich um, verpflege mich ordentlich usw. Das dauerte etwas länger und ich habe da auch gesessen usw. Was dann folgte war neu und direkt mal von einem anderen Stern. Das wieder los laufen war ein absoluter Schlag ins Gesicht. Ich hatte noch nie so einen Ganzkörperschmerz. Gefühlt zerrte es an jeder Sehne, jeder Muskel war zu und für das Gefühl in den Beinen fehlt mir aktuell jegliche Beschreibung. Ich weiß nicht, wie lange ich gebraucht habe in den Level des normal erträglichen wieder zurückzukommen, aber ab dem Moment stand fest “ Du wirst Dich bis ins Ziel nicht mehr hinsetzten und so wenig wie möglich stehen“. Das ging nur, wenn ich bis zu jeder VP irgendwie durchlief. Beim T100 hast Du bis 100km alle 5km eine VP. Das sollte meine Rettung an dem Tag werden. Das waren nun meine kleinen Aufgaben, die es bis zum Ziel zu bewältigen galt. An den VP erhälst Du beim T100 genau das, was Du brauchst und immer ein aufmunterndes Wort. Bei km 85 unterhalte ich mich kurz mit einem Mann und der sagt dann, Mensch, Du bist jetzt 2x einen Marathon gelaufen. Noch zwei VP und dann gehts ins Ziel. Das war wieder ein kleiner Push und so geht es dann Schritt für Schritt weiter. Ich muss zugeben der Level des erträglichen hatte ein Niveau erreicht, wo ich zwischendurch echt keinen Spass an der Sache hatte. Ich konnte mich aber immer aufrichten, wenn ich mir bewußt machen konnte, dass ich keine Blasen, Scheuerungen oder Krämpfe hatte, aber meine Physis war ordentlich angezählt. Ich erinnerte mich in diesen Momenten immer an das Buch „You can’t hurt me“ Irgendwo stand dort, dass Du in dem Moment, wo Du wirklich denkst es geht nicht mehr Du erst bei 20-30% dessen bist, was Du ertragen kannst. An diesem Moment war ich bei ca. km 90 angekommen. Es wurde etwas hügeliger hintenraus auf der Strecke und das war irgendwie dann fies. Aber was solls, das zieht man dann tatsächlich irgendwie durch. In Wertheim dann durch die Stadt geeiert und glücklicherweise nicht verlaufen. Das 100km Schild folgt und dann kommt schon bald das Ziel. Svenja und Lotta warten auf mich und Lotti läuft mir entgegen. Ritterschlag und ein Schluck Bier. 100km sind absolviert. 13:30h mit einer Nettolaufzeit von 12:27h. Das Limit bin nur ich.

… und zur Überschrift? Es geht immer weiter, egal wie oder was, es geht weiter und manchmal werden so auch die Strecken weiter.

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