6. Regeneration
Wer einen Marathon läuft geht an die Grenzen des Körpers. Die Regenerationszeit nach dem Wettkampf ist mindestens genauso wichtig, wie die letzten 2-3 Wochen vor dem Marathon. Denn nach dem Lauf ist immer auch vor dem nächsten Lauf. Wer nicht ausreichend regeneriert und seinem Körper die nötige Ruhe gibt, steigert das Risiko einer Überbelastung, Verletzungen und was noch viel schlimmer ist, Leistungseinbußen. Natürlich ist es für jeden schwer sich auf die Couch zu legen und mal eine oder zwei Wochen gar nicht zu trainieren, da wir ja immer denken, dass ein höherer Aufwand auch zu höherem Erfolg fährt. Aber es gibt keinen linearen Zusammenhang zwischen Training und Wettkampf. Der Körper benötigt regelmäßige Ruhephasen, um optimal zu funktionieren.
Auch hier bin ich mal so frei und nehme die Ausführungen aus demBuch der Runner`s World: „Marathon- Die besten Programme“ v. T.Steffens & M.Gröning ein, da man es kaum besser erläutern kann.
Warum regenerieren?
Wir sollen Sie mit unserem Gerede von Ruhetagen usw in Frieden lassen? Dann wollen wir Ihnen mal ein bisschen Angst machen – da wir Sie sonst voraussichtlich nie zur Ruhe kriegen und Ihnen zeigen, welche Auswirkungen hohe Belastungen tatsächlich auf Ihren Körper haben. Diverse Studien belegen, wie Muskulatur und Organismus durch harte und lang andauernde Belastungen (über)beansprucht werden und wie viel Zeit eine komplette physische Regeneration beansprucht. Der Japaner Hikida untersuchte Mitte der achtziger Jahre im Rahmen einer aufwendigen Studie in den USA die muskulären Belastungen bei einer Gruppe von Marathonläufern vor, direkt nach und am dritten, fünften und siebten Tag nach einem Marathonlauf Hikida stellte fest, dass die Muskelzellen aller Probanden starke Schäden aufwiesen. Am auffälligsten waren diese am ersten und dritten Tag nach dem Marathon, aber grundsätzlich bei allen Läufern auch noch sieben Tage nach dem Lauf deutlich nachweisbar. Und nebenbei stellte sich auch heraus, dass bei jedem vierten die Muskulatur schon am Tag vor dem Start eindeutige Zeichen von Überbeanspruchung aufwies. Dabei hatten diese Läufer ganz einfach nur eines getan: zu hart trainiert. Als Probanden einer anderen Testgruppe injizierte der Wissenschaftler Peter Martin Ultramarathonläufern (also Läufern, die an Wettbewerben teilnehmen, die länger als die üblichen 42,195 Marathon-Kilometer sind) eine radioaktive Substanz ins Blut. Die Substanz mit dem komplizierten Namen Techneticum 99m pyrophosphate wird speziell von beschädigten Körperzellen aufgenommen, im Herz-Kreislauf-System, in der Muskulatur und in den Knochen. Die radioaktiven Substanzen waren bei den Ultraläufern vor allem in der Muskulatur der unteren Extremitäten nachzuweisen. Und das Wichtigste: Die Läufer, die über die größten Muskelschmerzen nach dem Wettkampf klagten, wiesen auch die schwersten Muskelschäden auf. Die Schlussfolgerung (und ein absolutes muss für Ihren Trainingsaufbau): Je größer die Muskelbeschwerden nach einer Trainingsbelastung oder einem Wettkampf sind, desto länger sollte die anschließende Ruhephase sein. Am aufschlussreichsten sind aber die Ergebnisse des Amerikaners Warhol, die er 1985 im American Journal of Pathology veröffentlichte. Warhol untersuchte bei einer Gruppe von 40 Marathonläufern die Muskeln über einen Zeitraum von zwölf Wochen nach einer Marathon-Teilnahme. Die Muskeluntersuchungen, die er 48 Stunden nach dem Rennen vornahm, zeigten Schädigungen der Myofibrillen (Untereinheit der Muskelfasern), Mitochondrien (Kraftwerk der Zelle zur Umwandlung von Substraten in Energie) und des sarkoplasmatischen Retikulums auf Kanälchensystem in den Muskelfasern, welches der Übertragung der nervösen Erregungen von der Zellmembran auf die Muskelfasern dient). Die Schädigungen waren individuell sehr unterschiedlich stark ausgeprägt, aber bei manchen Läufern betrafen sie bis zu 25 Prozent aller Muskelfasern. Erst ab dem siebten Tag nach der Extrembelastung zeigten die betroffenen Muskeln die ersten regenerativen Veränderungen. Einen Monat nach dem Ultramarathon gab es zwar kaum noch Hinweise auf Muskelzellschädigungen, aber eindeutige Anzeichen für die regenerative Normalisierung der Muskulatur, die sich sogar noch bis in die zehnte Woche nach der Höchstbelastung nachweisen ließen. Die Liste derartiger Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen ließe sich beliebig lang fortsetzen. Aber wir wollen Ihnen ja nicht den Spaß an Marathonläufen oder sonstigen Belastungen nehmen, sondern einfach nur eines tun: Sie darauf hinweisen, dass Erholungsphasen nicht nur gut tun, sondern für eine sinnvolle sportliche Leistungssteigerung unbedingt notwendig sind.
Wann regenerieren?
Es reicht nicht, nach einem Marathon ein oder zwei Tage auf Laufen zu verzichten. Erholungsphasen sollten ebenso regelmäßig in das Training eingebaut werden wie Belastungen, und das betrifft den Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus.
1. Wochenrhythmus Im Allgemeinen halten sich die meisten Läufer, auch die mit höheren Wochenumfängen, an den Rat, möglichst einen Tag je Woche zu pausieren. Nehmen wir einmal an, Sie laufen täglich, außer samstags, etwa acht Kilometer, am Sonntag vielleicht etwas mehr oder einen Wettkampf Sie könnten sich in diesem Fall einen zweiten Ruhetag gönnen, indem Sie an einem anderen Tag einfach das Laufpensum verdoppeln. Würden Sie beispielsweise am Donnerstag sechzehn Kilometer und am Freitag gar nicht laufen, hätten Sie sich Freitag/Samstag einen wunderbaren Erholungsblock geschaffen, ohne den Wochenumfang einschränken zu müssen. Die Chance ist groß, dass Ihr Körper es Ihnen mit weniger Beschwerden, höherer Belastungsfähigkeit und Leistungsfortschritten dankt.
2. Monatsrhythmus Auch während längerer zusammenhängender Trainingsabschnitte empfiehlt es sich, Erholungsphasen einzustreuen.Leistungsphysiologische Tests belegen, dass sich insbesondere komplette Wochen mit verminderter Belastung günstig auf den Formaufbau auswirken. Im Ergebnis einer Studie zu diesem Thema wurde festgestellt, dass Läufer, die ihre Trainingsbelastung eine Woche lang um 60 bis 70Prozent zurückgeschraubt hatten, ihre 5-km-Zeit im Durchschnitt um 29 Sekunden unterboten. Ebenso konnten verbesserte Laufökonomie und geringere Beinmuskelermüdung bei einem nachfolgenden 10-km-Wettkampf nachgewiesen werden. Die Studie gibt die Empfehlung, einen derartigen Erholungsblock alle sechs Wochen einzuplanen. Möglicherweise ließe sich der Effekt noch steigern, wenn man den Zyklus auf vier Wochen verkürzt. Wichtig ist aber, die Trainingsbelastung konsequent um mehr als die Hälfte zu reduzieren, und dies eine ganze Woche lang.. Probieren Sie es einmal im Monatsrhythmus: 23 Tage lang allmähliche Steigerung und anschließend sieben beziehungsweise acht Tage deutliche Rücknahme der Belastung.
3. Jahresrhythmus Sportlerinnen und Sportler, die das gesamte Jahr hindurch regelmäßig trainieren, benötigen – selbst wenn sie die oben empfohlenen Erholungsblöcke einschieben – irgendwann eine Ruhephase, die deutlich länger als eine Woche ausfällt. Der Körper fordert diese Pause, um stark beanspruchte Muskeln und Bindegewebe vollständig zu regenerieren, zur Synthese aerober Enzyme sowie für andere biologische Prozesse, die einen längeren Zeitraum beanspruchen. Viele Eliteläufer berichten, dass ihnen ein Monat Faulenzen richtig gut bekommen sei, und vergessen dabei nicht, die willkommene mentale Abwechslung zu betonen. Vier Wochen abzuschalten und sich nicht mit den immer gleichen Gedanken an hartes Training und strapaziöse Rennen zu belasten ist für die Vorbereitung auf eine neue Wettkampfsaison ebenso wichtig wie die körperliche Erholung. Die kenianischen Topläufer halten es bereits seit langem so, dass sie im September so gut wie gar nicht trainieren, um ausgeruht in die nächste Saison zu gehen. Für die meisten von uns ist – oft nach einem Herbstmarathon – der November der geeignete Ruhemonat. Selbst wenn Sie dann vier Wochen lang überhaupt nicht laufen, brauchen Sie sich keine Gedanken über Ihre Fitness zu machen. Wenn Sie wieder mit dem regelmäßigen Training beginnen, werden Sie schon nach relativ kurzer Zeit zu alter Form auflaufen.
Wie regenerieren?
Bleibt nur die Frage: Wie kann ich am besten die Regeneration fördern? Wie wäre es damit, einfach nichts zu tun und die Füße hochzulegen? Dies kann, muss aber nicht sinnvoll sein. Außerdem gibt es noch jede Menge anderer Maßnahmen, die eine Regeneration wirkungsvoll unterstützen. Einiges davon ist vor allem direkt nach einer harten Belastung sinnvoll, also zum Beispiel m den 48 Stunden nach dem Zieleinlauf beim Marathon, andere betreffen die effektive Gestaltung längerer Erholungsphasen im Monats- oder Jahresrhythmus.
Auslaufen
So bezeichnet man das langsame Laufen nach einer harten Trainingsbelastung (z.B. einem Intervalltraining) oder nach dem Zieleinlauf bei einem Wettkampf. Dabei werden die zuvor stark beanspruchten Muskeln ausschließlich im langsamsten Lauftempo über zirka zehn Minuten locker bewegt. Das Auslaufen bedingt eine verbesserte Durchblutung des Muskelgewebes und den schnelleren Abbau von Laktat (Milchsäure), einem Stoffwechselprodukt, welches sich bei harten Belastungen im Muskel ansammelt und die Ausführung von Bewegungen hemmt. Wer nach dem Marathon nicht mehr in der Lage ist, einige Minuten auszulaufen (und das sind die meisten), sollte dies – bevor er in die folgende mehrtägige Ruhepause geht -unbedingt am Morgen des nächsten Tages nachholen. Wir wissen, wie schwer es fällt, sich gerade am Tag nach dem Marathon zum Laufen zu motivieren. Trotzdem: Ein kurzer Cool-down muss sein; ansonsten dauert der Abbau der bewegungshemmenden Stoffwechselendprodukte, die sich beim Marathon in den Körperzellen angesammelt haben, viel länger als notwendig.
Stretching
Auch Dehnübungen fördern die Durchblutung überlasteter Muskelfasern und beugen außerdem Verkürzungen der Muskulatur vor. Unmittelbar nach einer Belastung verhindert vorsichtiges (!) Stretching Muskelverspannungen und -Verhärtungen. Bitte unbedingt beachten: Gehen Sie beim Stretching nie über die Schmerzgrenze hinaus, halten Sie die Dehnung einige Sekunden und machen Sie keine wippenden Bewegungen, wie Sie es aus Volksschulzeiten vielleicht noch kennen.
Trinken
Nach einer schweren Belastung sind Ihre Wasser- und Elektrolytvorräte erschöpft. Es kann zehn bis zwanzig Stunden dauern, bis der Körper wieder völlig rehydriert ist. Am besten sind zur Rehydration Wasser, Fruchtsäfte oder Elektrolytgetränke geeignet. Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee. Tee, Colagetränke und Alkohol sind wenig sinnvoll, sie gelten als so genannte Diuretika, das heißt, sie fördern eine vermehrte Wasserausscheidung.
Essen
Durch ein hartes Training, vor allem aber nach Wettkämpfen, sind Ihre Glykogenspeicher nahezu vollständig entleert. Das war vermutlich der Grund dafür, dass Sie auf den letzten Kilometern einfach nicht mehr so schnell laufen konnten, wie Sie wollten. Die Entleerung der Glykogenspeicher steigert aber auch die Aktivität der Glykogensynthetase, welches die Bereitschaft der Zellen, wieder Glykogen zu speichern, erhöht. Diese ist zwischen zwei bis vier Stunden nach der Belastung am höchsten und geht schließlich innerhalb der nächsten zwölf bis vierundzwanzig Stunden wieder zurück. Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie Ihre Kohlenhydratspeicher am schnellsten und effektivsten zwei bis vier Stunden nach einer harten Belastung (wie einem Marathon) auffüllen können: am besten mit kohlenhydratreicher, aber leicht verdaulicher Nahrung, zum Beispiel Bananen.
Massage
Eine Massage kann nach harten körperlichen Belastungen Wunder wirken, meinen wenigstens die meisten Sportler. Untersuchungen, die dies wissenschaftlich belegen, gibt es erstaunlicherweise nur wenige. An der Universität Utrecht wurde allerdings eine Studie veröffentlicht, der zufolge die Kombination von Stretching und Massage die Muskelzellen davor bewahrt, undicht zu werden, und so die allgemeine Funktionstüchtigkeit der Muskulatur stärkt. Die verbesserte Muskeldurchblutung während der Massage ist auf jeden Fall nicht von der Hand zu weisen – also genau der Effekt, den auch Stretching und Auslaufen bewirken: der Abbau von Laktat und die Versorgung des Muskelgewebes mit Nährstoffen. Steht im Zielbereich des Marathons kein Masseur zur Verfügung, sollten Sie es ruhig mit einer Selbstmassage versuchen. Dabei kneten und streichen Sie die Muskulatur mit langsamen, sanften Bewegungen an den Stellen, die schmerzen beziehungsweise besonders beansprucht wurden.
Entspannungsbäder
Entspannungsbäder bei 36 bis 40 Grad Celsius gehören zu antiken Formen der Regeneration. Sie scheinen die Durchblutung und Muskelentspannung nachhaltig zu verbessern. Außerdem wirken sie nicht nur enorm entspannend für den Körper, sondern auch für die Psyche. Diverse Badezusätze können das Wohlbefinden noch steigern. Der absolute Entspannungshit nach einem Marathon ist das langsame Bewegen – sprich: Auslaufen – in einem Thermalbad (wie es zum Beispiel nach dem Johannesbad-Thermen-Marathon im Frühjahr in Bad Füssing angeboten wird).
Sauna
Für uns Mitteleuropäer ist die Sauna immer noch weitgehend ein Luxus für dunkle Winterabende, in ihrem Ursprungsland Finnland gehört sie dagegen zum Alltag wie Essen und Trinken. Der physiologisch zentrale Vorgang beim Saunieren ist der rapide Temperaturwechsel, bei dem der Körper unter der Hitzeeinwirkung m der Sauna versucht, die überschüssige Wärme durch eine deutliche Steigerung der Hautdurchblutung wieder loszuwerden. Und die Durchblutungssteigerung durch Erweiterung der Blutgefäße und gleichzeitige Steigerung der Herzarbeit bewirkt indirekt eine Belebung und Entschlackung der Muskulatur. Direkt nach belastenden Trainingseinheiten oder Wettkämpfen sollte man kurze Saunagänge wählen und für baldigen Flüssigkeitsersatzsorgen. Die entspannende und regenerative Wirkung auf die erschöpfte Muskulatur ist eindeutig nachweisbar.
Alternativtraining
Laufpause muss nicht gleich Sportpause bedeuten. Alternative aerobe Bewegungsformen wie Wandern, Rudern, Radtouren, Skilaufen oder Schwimmen bieten sich an. Achten Sie jedoch stets darauf, dass die Intensität niedrig bleibt und die Gesamtübungsdauer nicht ein Drittel der Zeit übersteigt, die Sie gewöhnlich für das Lauftraining aufwenden ,es soll sich schließlich um eine Ruheperiode handeln.
Wenn schließlich wieder die Zeit gekommen ist, mit dem Laufen zu beginnen, werden Sie sich – nach einer echten Ruhephase – frisch und voller Elan fühlen. Und denken Sie immer daran: Mit regelmäßigen Ruheperioden im Trainingsplan können wir uns das ganze Jahr so relaxt fühlen.